6. Mai 2005

Feine Kreise

Am 1. Mai wurde das cioforum  zwei Jahre alt. Als sich der Gründerkreis am Tage der Arbeit 2003 in Frankfurt zur konstituierenden Sitzung zusammenfand, gab es in Deutschland einige wenige Angebote von Netzwerken für IT-Entscheider, allesamt jedoch durch ein ausgeprägtes wirtschaftliches Gewinnstreben des jeweiligen Anbieters gekennzeichnet und zudem auch teuer. Wir waren als Erste angetreten den Netzwerkgedanken ohne jedwedes Gewinnstreben mit Leben zu füllen und haben in den vergangenen zwei Jahren erfolgreich bewiesen, das es geht und gezeigt wie es geht.

Nun schreiben wir das Jahr 2005 und die Helden von einst, die CIOs, haben vielfach an Macht und Einfluss verloren. Die Revolution frisst ihre Kinder. Die Rolle des CIOs wandelt sich. In einer Zeit, in der das IT-Management besonders bei uns in Deutschland immer noch die Kostensenkung als vorrangigsten Punkt auf der Agenda zu haben scheint, ist guter Rat im wahrsten Sinne des Wortes teuer. Insofern versucht man in Kreisen, in denen man Gleichgesinnte wähnt, sich auszutauschen und Sachthemen zu diskutieren.

Aber auch die Non-IT-Welt hat das Business-Netzwerk entdeckt: Online-Netzwerke die Geschäftspartner oder Jobs vermitteln wollen, erleben einen massenhaften Ansturm. Der Soziologe Mark Granovetter erkannte bereits in den 70er-Jahren, das nicht Freundes- oder Familienbande, die sog. „strong ties“ die Chancen bei Karriere und Jobsuche verbessern, sondern die „weak ties“, die Freunde von Freunden von Freunden. Ausgestattet mit reichlich Wagniskapital und manchmal auch geadelt durch einen vom Bundeskanzler höchstpersönlich überreichten Deutschen Internetpreis kamen die Mitglieder in Massen.

Aber zurück zu uns, den IT-Managern. Die Zahl der Netzwerkanbieter wächst rapide. Auswahl zu haben ist gut und erstrebenswert. Erstaunlich ist jedoch nur Eines: Es sind nicht (mehr) die IT-Manager selbst, die diese Initiativen starten, es sind Angebote von schwächelnden Konferenzveranstaltern, die mit einem Rückgang der Teilnehmerzahlen zu kämpfen haben. So wird z.B. ein CIOcolloquium aus der Taufe gehoben, das sich als Meinungsbildner gegenüber Lieferanten, Forschung, Verbänden, Behörden und Medien sieht. Darüber hinaus wolle man als Sprachrohr zu einem europäischen Netzwerk dienen (das natürlich zur gleichen Firma gehört) und man höre und staune: Die CIO-Interessen Europas bei der Europäischen Kommission in Brüssel werden künftig auch vertreten.

Aber auch einschlägige IT-Publikationen versuchen ihre derzeit mageren Ergebnisse aus dem Print-Geschäft mit einem CIO-Circle oder einem CIO-Council aufzubessern. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass es in höchstem Masse verwerflich ist, wenn den CIOs durch Vorgabe ideeller Ziele Beträge von bis zu 17.000 Euro abverlangt werden, die einzig der Gewinnmaximierung des Veranstalters dienen. Hinter so manchem Feigenblatt getarnt, ist es meistens die einzige Zielsetzung den finanzierenden Anbietern und Sponsoren ausreichend neue Kontakte zu ermöglichen und sich dafür gut bezahlen zu lassen. Das ist nicht ehrenrührig, aber es kann überstrapaziert werden. Das die häufig irrelevanten Informationen in den Vorträgen nicht einmal den Bedürfnissen eines CIOs gerecht werden und vielfach nur als Sales Pitches zu bezeichnen sind, wollen die Veranstalter nicht hören. Egal in welcher Ausprägung, ein Thema steht bei allen gewerblichen Beziehungsanbahnern im Vordergrund: Wie lässt sich damit möglichst viel Geld verdienen?

Der Beginn einer Peer-to-Peer-Ära in der IT, den ein Branchenblatt gegenwärtig zu erkennen glaubt, lag in einer Zeit als so mancher Redakteur mit Malstiften an den elterlichen Tapeten erstes Talent entwickelte. Es soll nun wirklich nichts durch Neid kaputtgeredet werden, aber wir müssen uns nun wirklich nicht ein X für ein U vormachen lassen. Und wenn man schon den Rotary Club immer wieder neu erfinden muss, dann doch bitte schön genau so anständig wie das Vorbild.  

Wolfgang Franklin,
Vorsitzender des Vorstandes,
cioforum e.V.

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