2. Dezember 2004

Auf kleiner Fläche Großes ernten!

Dieser Satz zierte vergangene Woche eine der vielen Hauswurfsendungen, die Sie und ich täglich in unseren Briefkästen finden. Wissen Sie an wen ich unweigerlich denken musste?Nicht an das Unternehmen das in Gelb und Schwarz und mit Hilfe der Gottschalk-Brüder auf sich aufmerksam macht, nein, ich dachte an Larry Ellison und seine bereits eineinhalb Jahre dauernde Übernahmeschlacht um Peoplesoft. 

Wenn sich zwei streiten freut sich der Dritte haben wir bereits in der Kindheit gelernt: Oracle hat das Angebot für Peoplesoft um ein paarDollar erhöht, und deshalb freuen sich in diesem Falle rund 60% der Peoplesoft-Aktionäre und bekunden das durch Ihre prinzipielle Zustimmung der Übernahme durchOracle. Das Peoplesoft-Management dahingegen lehnt wie bisher ab. Nach demAbgang von Peoplesoft-Chef Craig Conway werden Oracle zwischenzeitlich zwar bessereChancen eingeräumt, auch wenn der neue Chef David Duffield sich wie sein Vorgängerkämpferisch gibt. 

Und noch einer freut sich derzeit ganz offensichtlich: SAP. Einigen Marktforschern zufolge ist vor dem Hintergrund dieses feindlichen Übernahmeversuches bei den Peoplesoft-Kunden momentan ein ausgeprägt abwartendes Investitionsverhalten feststellbar, das sich wiederum schädlich auf das Neugeschäft mit Lizenzen auswirkt. Ein gefundenes Fressen also für die Sales-Force aus Walldorf. Aber auch Oracles Hartnäckigkeit hat ihren Preis und das Ellison-Unternehmen musste aufgrund der Übernahmeschlacht Federn lassen. So hat sich der unsichere Ausgang negativ auf den Aktienkurs von Oracle ausgewirkt, der sich trotz steigender Einnahmen durch Lizenzen in der vergangenen Woche seinem 52-Wochen-Tief näherte. Ferner war von Finanz-Analysten zu hören, dass die Wachstumsperspektiven für Oracle ohne Akquisitionen „begrenzt erscheinen“. Sogar Larry Ellison meint zwischenzeitlich,“dass es zu viele Softwareunternehmen gibt.“ 

Aber was hat das mit dem eingangs erwähnten Werbeprospekt zu tun? Grosse Kämpfer der Menschheitsgeschichte haben oftmals auf der kleine Fläche auf der sie kämpften tatsächlich Grosses erlebt, nach meinem Dafürhalten aber nicht das, was sie erwarteten. Und genau deshalb bin ich der Meinung, dass dieser Kampf der Moderne, über den gegenwärtig in den Medien berichtet wird, sich besonders durch seine verbissene Fokussierung auf das Ziel auszeichnet. Mr. Ellison könnte unter Umständen dieses Gefecht ökonomisch ad absurdum führen, wenn nicht rasch einvernünftiges Ergebnis erzielt wird. Ich betone nachdrücklich „vernünftig“! Auch Alexander der Grosse hat einstmals verbissen Siege erfochten, die sich im Nachhinein aber als Niederlagen herausstellten. Heute bluten keine Reiter-Soldaten mehr, sondern heute sind das die Kunden und Aktionäre der Kontrahenten. Oracles Aktienkurs schwächelt und Peoplesofts Geschäfte leiden. 

Wolfgang Franklin
Vorsitzender des Vorstandes
cioforum e.V.

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