20. Oktober 2005

Aussterbende Kultur

Ich bin, wie wahrscheinlich viele von Ihnen, Vielreisender. Nun glauben Sie mal nicht, das ich da stolz drauf bin oder das es ein Vergnügen ist, diese Hätschel-Karten von Fluggesellschaften, Autoverleihern und Hotels zu bekommen. Eigentlich müssten alle diejenigen, die diesen Status „erlitten“ haben, eine Gehaltserhöhung bekommen bzw. ihr Honorar erhöhen. Warum? Na weil die Lebensqualität im wahrsten Sinnen des Wortes auf der Strecke bleibt. Sie kennen das doch alle: Das letzte ungelöste logistische Problem der modernen Industriegesellschaft: Das Be- und Entladen eines Passagierflugzeuges morgens zwischen 6 und 9. Es gibt nichts Schrecklicheres!!! Ich für meinen Teil find es klasse, wenn ich meiner kleinen Tochter abends was vorlesen kann, weil ich nicht in so eine Blechbüchse made in Toulouse steigen musste. Fragen Sie mal Ihren Arzt oder Apotheker, vor allem wenn Sie wie ich die fünfzig schon hinter sich haben.

Reisen ist Stress, Stress, Stress …. Und Stress ist schlecht für die Gesundheit.

Warum, frage ich mich, finden dann immer noch so wenig Besprechungen per Video-Konferenz statt. Warum den Franklin künftig nicht per Videoleinwand?! An der Technologie kann es nicht liegen. Die ist in jedem Falle perfekter als ich. Ich würde zwar nicht attraktiver durch mein Erscheinen auf der Leinwand werden, die Realität würde Sie aber wirklich verdammt gut wiedergeben. Ist das vielleicht der Grund warum weibliche Mitarbeiter Angst vor der Kamera haben? Ich sage Ihnen meine Damen: Das reizende kleine Lachfältchen an Ihrem Mundwinkel brauchen Sie nun wirklich nicht zu verstecken. Aber, um politisch korrekt zu sein: es soll ja auch eitle Männer geben!

Uns sparen würden wir allemal. Nicht nur meine Reisekosten, auch das nicht verbrauchte Benzin oder Kerosin hätten einen, wenn auch kleinen, Beitrag zur Umweltentlastung beigetragen. Und das allerbeste: Wir kämen endlich schneller und effizienter zu Entscheidungen! Aber Spass beiseite: Wenn Sie hierzulande, und ich betone hierzulande, einmal nachfragen, warum denn diese Scheu vor der kleinen Linse besteht, kriegen Sie alle möglichen Antworten, allerdings keine wirklich akzeptable. Wissen Sie was ich glaube? In unserem Kulturkreis versucht man eine aussterbende Kultur mit aller Kraft am Leben zu erhalten: Die Meetingkultur, d.h. sich in persona vis-a-vis zu sitzen. Aber was hört man immer wieder, wenn man vorschlägt in entsprechende Technik zu investieren: „Hervorragende Idee, lieber Franklin, haben aber gerade bedauerlicherweise andere, wirklich wichtigere Dinge auf der Agenda. Ausserdem liest man doch auch immer das das alles noch nicht so ausgereift ist, mit der Qualität hapert es, und kein Mensch kann es richtig bedienen. Wissen Sie was, da reden wir in einem halben Jahr mal drüber.“ Und das höre ich alle sechs Monate. Ich verstehe es ehrlich gesagt nicht, eigentlich gibt es nichts was gegen Video-Conferencing spricht. Werfen Sie doch mal einen Blick über die Grenzen: Selbst in einem so kleinen Land wie Holland ist der Nutzungsgrad im Verhältnis Installationen/Bevölkerungszahl wesentlich höher als bei uns. Von den Amerikanern ganz zu schweigen. Stellen Sie sich mal vor, Sie müssten jedes Mal tausende von Kilometern fliegen, um Kollege Krause mal wieder in den Rachen zu schauen.

Got the message?

Wolfgang Franklin
Vorsitzender des Vorstandes
cioforum e.V.

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